"Für alle ein großer Gewinn"

Mülheim an der Ruhr (26.01.2024) 

Am Bodensee baut ALDI SÜD eine Filiale mit einer darüber liegenden Werkstatt für Menschen mit Behinderung, Esther Hofmann, Geschäftsführerin der Lindenberger Werkstätten gGmbH, erklärt im Interview, wie es dazu kam und was der Nutzen ist.

 

Eine erste Skizze des geplanten Mixed-Use-Objekts in Lindau.

Die „Lebenshilfe e.V.“ engagiert sich im Landkreis Lindau für die individuelle Förderung und gesellschaftliche Inklusion von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit geistiger, körperlicher oder seelischer Behinderung. Dazu gehören auch die Lindenberger Werkstätten mit den Standorten Lindenberg und Lindau. ALDI SÜD entwickelt mit den Lindenberger Werkstätten und der Stadt Lindau einen Standort, der unter anderem Platz für neue Werkstattflächen bietet. Ende des Jahres 2023 besiegelte die Unterschrift des Mietvertrags die Zusammenarbeit.

 

Frau Hofmann, wie kam es zum gemeinsamen Bauprojekt mit ALDI SÜD?

In unseren zwei Werkstätten beschäftigen wir insgesamt 205 Menschen mit geistiger, körperlicher oder seelischer Behinderung. Wir wachsen in Lindau stetig, und unser aktueller Standort ist schon lange zu klein. Aber in Lindau eine gute Alternative zu finden, ist sehr schwierig, denn wir haben besondere Anforderungen. Das beginnt bei der Barrierefreiheit und reicht über spezielle Brandschutzauflagen bis hin zur Architektur und Infrastruktur, die zu unserer Klientel und unseren Betriebsabläufen passen muss. Die Umrüstung und Erweiterung im Bestand ist sehr aufwändig bzw. nicht möglich. Wir haben über die Jahre viele Gespräche mit potenziellen Partnern geführt. Aldi hat uns schon früh an den Neubauplänen beteiligt und geschaut, was wir brauchen. Das war für uns ideal.

 

Was muss die Architektur Ihrer Werkstatt erfüllen?

Unsere Mitarbeiter:innen haben individuelle Handicaps, auf die wir in der Gestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsabläufe eingehen, damit die Teilhabe am Arbeitsleben und die Rehabilitation gelingen können. Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung oder Menschen mit einer seelischen Behinderung haben zum Beispiel oft ein Problem mit großen Gruppen und der Geräuschentwicklung. Wenn wir ihnen einen ruhigen Raum mit wenigen Plätzen bieten, können sie sich besser auf ihre Aufgabe konzentrieren und das Stressniveau ist deutlich geringer. Genauso kann sich jemand, der einen Rollstuhl benutzt, in breiten Gängen und Waschräumen selbständig bewegen und ist nicht auf Hilfe angewiesen. Je genauer die Architektur zu unseren Mitarbeiter:innen passt, desto wohler fühlen sie sich und das wirkt sich positiv auf die Arbeit und das Gruppenklima aus.

 

Den frisch unterschriebenen Mietvertrag unterm Arm:  Lebenshilfe-Geschäftsführerin Esther Hofmann zusammen mit Werkstattleiter Frank Borkert und den ALDI SÜD Vertretern Giuseppe Burgarella, Ingo Brunner und Sebastian Gärtner (von links).

An ALDI SÜD Filialen ist in der Regel immer viel los, ein ständiges Kommen und Gehen. Wie verträgt sich das mit ihrem Betrieb?

Der Zugang zur Werkstatt ist auf der gegenüberliegenden Seite vom Filialeingang geplant. So können unsere Mitarbeiter:innen morgens etwas abseits in aller Ruhe ankommen. Die Nähe zur Filiale, zum Bäcker und zur ebenfalls geplanten Kita sehe ich grundsätzlich als großen Vorteil. Auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft ist es wichtig, dass Menschen mit Behinderung ein selbstverständlicher Teil davon sind. Die Ansiedlung bei Aldi mit hoher Kundenfrequenz bietet die Chance, dass unsere besonderen Menschen in der öffentlichen Wahrnehmung präsent sind. Unser Ziel ist die Teilhabe am Arbeitsleben und die inklusive Beschäftigung der Mitarbeiter:innen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. So kann ich mir sehr gut vorstellen, dass in Zukunft am Standort Praktika oder Außenarbeitsplätze möglich sind wie zum Beispiel die Pflege und Instandhaltung der Außenanlagen. Das wäre für alle ein großer Gewinn. Wir freuen uns jedenfalls schon auf den Umzug. Als ich den Mitarbeiter:innen auf unserer Weihnachtsfeier davon erzählt habe, gab es lauten Jubel.

Vielen Dank für das Gespräch.

ALDI SÜD hat in Lindau ein Grundstück in Erbpacht übernommen, auf dem sich aktuell ein altes Möbellager und eine denkmalgeschützte Scheune befinden. Darauf entstehen wird ein Gebäude, in dem eine ALDI SÜD Filiale, eine Bäcker-Café sowie die Werkstatt der Lebenshilfe untergebracht sind. In einem zweiten Gebäude findet eine Kita Platz, angeschlossen ist ein großer Außenbereich. Auf dem Gelände entsteht außerdem ein Radweg. Im Sommer 2024 wird der Bauantrag eingereicht, und Anfang 2025 sollen die Bauarbeiten beginnen. Läuft alles nach Plan, könnte Anfang 2026 die Eröffnung erfolgen.